Vertrag von Wien (1396)

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Der Vertrag von Wien war ein Teilungsvertrag, der 1396 zwischen den Herzögen von Österreich (Habsburgern) nach dem Tod von Herzog Albrecht III. ("Albrecht mit dem Zopfe") geschlossen wurde. Er bildete eine Ergänzung zu dem ein Jahr zuvor geschlossenen Vertrag von Hollenburg, wurde in Folgejahren noch einige Male verlängert und bestimmte im Wesentlichen die Politik bis zum Tod von Herzog Wilhelm von Österreich.

Vorgeschichte

Im Unterschied zu anderen europäischen "Staaten" des Spätmittelalters (zum Beispiel den Königreichen Frankreich und England) setzte sich die Erbfolge der Primogenitur[A 1] im Heiligem Römischen Reich erst im 16. Jahrhundert durch. Gab es mehrere erbberechtigte Söhne hatte das bei den Reichsfürsten meistens zur Folge, dass ...

  • ... entweder die erbberechtigten Söhne gemeinsam die Herrschaft ausübten (Samtherrschaft), wobei gewöhnlich dem ältesten Sohn (manchmal auch den beiden ältesten Söhnen) eine Sonderstellung zugestanden wurde.
  • ... oder die Herrschaft unter den erbberechtigten Söhnen aufgeteilt wurde.

Dabei lässt sich beobachten, dass in vielen Fällen eine Samtherrschaft meistens nicht von Dauer war, sondern wenig später auch von einer Länderteilung abgelöst wurde.

Nach ihrem Aufstieg in den Stand der Reichsfürsten im 13. Jahrhundert war es den Herzögen von Österreich, wie sich die Dynastie der Habsburger im Spätmittelalter nannte, im Gegensatz zu den meisten anderen Adelsfamilien im "Reich" gelungen, Realteilungen innerhalb ihrer Herrschaften zunächst zu verhindern. 1379 hatte Herzog Albrecht III. von Österreich jedoch mit seinem Bruder Herzog Leopold III. den Neuberger Vertrag geschlossen, in welchem die Territorien aufgeteilt wurde.[1]

Nach dem Tod von Herzog Leopold III. (gefallen 1386 in der Schlacht bei Sempach) trat dessen ältester Sohn Wilhelm, der zu diesem Zeitpunkt noch sehr jung, aber bereits volljährig war, die Nachfolge an. Bereits am 10. Oktober 1386 akzeptierte er, mit Zustimmung der Landesherren, für sich und seine jüngeren Brüder, dass Albrecht III. als ihr Vormund die Alleinherrschaft über alle Territorien der Familie übernahm.[2] Nach dem Tod von Herzog Albrecht III. schloss Wilhelm mit dessen Sohn Albrecht IV. unter Einbeziehung der Landstände auf der Grundlage des "Neuberger Vertrages" den Vertrag von Hollenburg (1395). Dieser regelte ihre gemeinsame Herrschaftsausübung. Wilhelm wurde Senioratsrecht (mit Einschränkungen) zuerkannt.[3]

Der Vertrag von Wien (1396)

Bereits 1392 hatte Herzog Albrecht III. die Verwaltung der Grafschaft Tirol und der Vorderen Lande an seinen Neffen Leopold IV., einen jüngeren Bruder Wilhelms übertragen[4]. Nachdem Wilhelm mit Albrecht IV. im "Vertrag von Hollenburg" zu einer Einigung gelangt war, wurde auf Leopolds Drängen hin im Jahr darauf in Wien ein weiterer Hausvertrag geschlossen, durch den Leopold die völlige Gleichberechtigung in den Territorien erhielt, die er seit 1392 verwaltet hatte. Außer der Herrschaft über Tirol und die "Vorderen Landen" wurde ihm eine finanzielle Kompensation[A 2] zugestanden. In diesem Vertrag kam es außerdem zu einer vorläufigen Regelung, die Wilhelms übrige jüngere Brüder betraf. Wilhelm sollte die Versorgung für Herzog Ernst I. ("Ernst den Eisernen") und Leopold IV. die für Herzog Friedrich IV. ("Friedel mit der leeren Tasche") übernehmen.[5]

In Zusammenhang mit diesem Vertrag wurden auch Bestimmungen getroffen oder aus dem Vertrag von Hollenburg erweitert, welche die den Wiener Stadtregierung betrafen. Sie sind in einer Urkunde zusammengefasst, dem Ratswahlprivileg.[6]

Folgen

Dieser Vertrag von Wien war befristet und wurde in der Folge noch dreimal verlängert. 1402 wurden die Herzöge Ernst I. und Friedrich IV. Mitregenten in den Herrschaftskomplexen ihrer älteren Brüder Wilhelm und Leopold IV. Nach dem Tod von Albrecht IV. wurde Wilhelm als Senior des Hauses Österreich ab 1404 herzöglicher Regent für dessen noch minderjährigen Sohn Herzog Albrecht V., dem späteren König Albrecht II.

Literatur

  • Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411. Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter. (= Österreichische Geschichte. Band 6). Ueberreuter Verlag, Wien 2001, ISBN 3-8000-3974-5

Einzelnachweise

  1. vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 178-181
  2. vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 188. Dass Wilhelms jüngerer Bruder Leopold IV. erst im November 1386 dieser Regelung zustimmte, könnte ein Hinweis sein, dass er zu dieser Zeit ebenfalls bereits volljährig war.
  3. vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 194
  4. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 189
  5. vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 194 und S. 196
  6. vgl. Andreas Pittler: Die Bürgermeister Wiens. Die Geschichte der Stadt in Porträts. Verlag Carl Ueberreuter, Wien, 2003, ISBN 3-8000-3873-0, S. 19

Anmerkungen

  1. Unter einer Primogenitur wird gewöhnlich das Erbrecht des ältesten Sohnes verstanden.
  2. Die finanzielle Kompensation für Leopold IV. war dem Umstand geschuldet, dass die Einkünfte von Tirol und den Vorderen Landen zu diesem Zeitpunkt wesentlicher geringer waren als die aus den Herzogtümern Steiermark, Kärnten und Krain, über die Wilhelm die Herrschaft ausübte. Erst unter der Herrschaft von Herzog Friedrich IV. verkehrte sich die Finanzlage ins Gegenteil, vgl. Klaus Brandstätter: Zur Entwicklung der Finanzen unter Herzog Friedrich IV.. In: Georg Mühlberger - Mercedes Blaas [Hrsg.]. Grafschaft Tirol: "Terra Venusta". Studien zur Geschichte Tirols, insbesondere des Vinschgaus (= Schlern-Schriften 337). Innsbruck, 2007, S. 233f.