Karl-Marx-Hof

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Karl-Marx-Hof 2009

Der Karl-Marx-Hof befindet sich im 19. Wiener Gemeindebezirk und ist einer der bekanntesten Gemeindebauten von Wien. Er wurde vom Architekten Karl Edmund Ehn geplant. Er ist Wohngebäude, Architekturdenkmal, das mit „Ein Kilometer Art déco“[1] beworben wurde, er wurde auch Versailles der Arbeiter genannt, aber auch Flaggschiff des sozialen Wohnbaus im Roten Wien. Er ist historischer Boden und war die letzte Bastion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei im Februaraufstand 1934. Heute bietet er Wohnraum für mehr als 5000 Personen.

Standort

Der Karl-Marx-Hof liegt an der Heiligenstädterstraße und wird im Norden von der Grinzinger Straße, im Süden von der Geistingergasse und im Osten von der Boschstraße begrenzt. Der Ehrenhof ist heute der 12. Februar-Platz und liegt im Zentrum. Es gibt vier Durchfahrten: Halteraugasse, 12. Februar-Platz, Josef-Hindels-Gasse, Felix-Braun Gasse. Fußgänger kommen zusätzlich bei den beiden großen Bögen vom Bahnhof Heiligenstadt auf den 12. Februar-Platz. Der gesamte Komplex ist zirka 1.100 Meter lang.

Geschichte

Am 10. Juni 1927 war der Baubeschluss. Auf der Hagenwiese, auf der sich zu dem Zeitpunkt Gärtnereien befanden, sollten auf 156.000 m² Grundfläche 1.382 Wohnungen für zirka 5.000 Menschen gebaut werden.

Am 12. Oktober 1930 fand die Eröffnung durch den Bürgermeister Karl Seitz mit den berühmten Worten: Wenn wir einst nicht mehr sind, werden diese Steine für uns sprechen., statt.

Am 12. Februar 1934 kam es zum Bürgerkrieg der sozialistischen Arbeiter und des Republikanischen Schutzbundes nachdem nach der Ausrufung zum Generalstreiks der Ministerrat unter dem Bundeskanzler Engelbert Dollfuß die sofortige Auflösung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, aller sozialdemokratischen Vereine und der Freien Gewerkschaften, die Beschlagnahme ihrer Vermögen und die Sperre der Arbeiterbank beschlossen hatte. Das Militär und die Polizei schlugen den Aufstand nieder. Die letzte Bastion war der Karl-Marx-Hof.

1938/1939 vertrieb das nationalsozialistische Regime 66 Familien aus religiösen und rassistischen Gründen aus der Wohnhausanlage. Im zweiten Weltkrieg wurde viel durch Bomben zerstört, da der angrenzende Bahnhof strategisches Ziel war.

Architektur

Der Komplex wurde im Sinne der neuen Sachlichkeit in Art déco gebaut. Er ist ein reiner Ziegelbau, im Gegensatz zu den gleichzeitig in Deutschland entstandenen Plattenbauten. Diese Methode wurde bewusst gewählt, weil damit sehr viele Arbeitsplätze verbunden waren. Am Wienerberg wurden die Ziegel hergestellt und viele Maurer bauten ihn. Ein Arbeiterlied erinnert noch daran: "Kleiner roter Ziegelstein baut die neue Welt."

Die gesamte Grundfläche wurde nur zu 18,4 % verbaut. Der Bau ist in vier geschlossene Höfe gegliedert, drei große und ein kleiner am südlichen Ende. In der Mitte dominiert der offene Ehrenhof, am 12. Februar-Platz gelegen. Obwohl die Architektur sehr schlicht ist, gibt es doch gezielt eingesetzte Kunstwerke als Schmuck und Dekoration. In der Mitte des Ehrenhofes steht der Sämann von Otto Hofner. An der Gebäudefront des Ehrenhofes stehen vier Frauen-Keramikfiguren auf Schlusssteinen: Aufklärung, Befreiung, Kinderfürsorge und Körperkultur von Josef Riedl. Zwei Vasen, reich verziert mit Tiermotiven, stehen an einem der beiden Kindergärten am Spielplatz, ebenfalls von Josef Riedl.

In die Wohnhausanlage wurden zwei Zentralwäschereien mit 62 Waschständen; zwei Bäder mit zwanzig Wannen und dreißig Brausen; zwei Kindergärten; eine Zahnklinik; eine Mutterberatungsstelle; eine Bibliothek; ein Jugendheim; ein Postamt; eine Krankenkasse mit Ambulatorium; eine Apotheke; Räumlichkeiten für politische Organisationen und fünfundzwanzig Geschäftslokale integriert. Heute gibt es davon vieles nicht mehr. Ein Beispiel: das Postamt wurde im April 2013 in ein anderes Gebäude übersiedelt.

Wohnungen

Die Standard-Wohnungen hatten eine Größe von 35 m² bestehend aus Küche, Zimmer und Kammer, sowie 42 m² für Küche und 2 Zimmer. Sie hatten alle fließendes Wasser und die Toilette in der Wohnung. Da die Mieten durch den sozialen Wohnbau sehr viel geringer waren als in den davor üblichen, sehr teuren Bassenawohnungen der Vorkriegszeit in der Größe von 22 bis 28 m², entfiel für die Mieter auch die Notwendigkeit eines Bettgehers für die Finanzierung.

Auszug aus der Broschüre zur Eröffnung:

Zimmer Typen Anzahl
Ledigen-Zimmer 88
Küche, Zimmer 125
Küche, Zimmer, Kammer 748
Küche, 2 Zimmer 159
Küche, Zimmer, 2 Kammern 136
Küche, 2 Zimmer und Kammer 93
Küche, 3 Zimmer 16
Küche, 2 Zimmer und 2 Kammer 6
Küche, 3 Zimmer und Kammer 10
Küche, 3 Zimmer und 2 Kammern 1


Sanierungen und aktuelle Wohnungssituation

Sanierungen

In den 1990-er Jahren fand eine Sanierung der Fassade und der Fenster statt.
Seit 2012 wird umfangreich saniert. Sie umfasst das Dach, die Fassade, Fenster, Terrassen, Balkone, Loggien, Aufzug, Elektro-Installationen, allgemeine Bereiche wie z. B. Austausch der alten Wohnungs- Eingangstüren und Außenanlagen wie z.B. Herstellen zusätzlicher Müll- und Geräteabstellboxen.[2]

Wohnungssituation, Stand 2013

Durch Wohnungszusammenlegungen gibt es von den ursprünglich 1382 Wohnungen nur noch 1259. Davon fallen auf die Ausstattungskategorie[3] A – 121, B – 873, C und D – 277 Wohnungen[4].


Namensgebung

Die Anlage ist nach dem Philosophen, politischen Journalisten, Vordenker des Sozialismus und Kommunismus und Autor Karl Marx benannt.

Nach der Februarrevolution wurde er kurzfristig Biedermann-Hof genannt. Karl Biedermann war der Kommandant eines Freiwilligen Schutzkorps der Heimwehr zur Zeit der Februarrevolution 1934. In dieser Funktion war er an der Eroberung des Karl-Marx-Hofes und der Niederschlagung des Arbeiteraufstandes maßgeblich beteiligt. 1945 war er als Major der deutschen Wehrmacht am Widerstand beteiligt. Die Operation Radetzky hatte das Ziel einer friedlichen Übergabe Wiens an die Rote Armee. Dadurch wären die Brücken Wiens, Elektro- und Gaswerke, sowie die Wiener Wasserleitung, wie auch der Karl-Marx-Hof vor weiteren Zerstörungen geschützt gewesen. Der Plan wurde verraten und Biedermann mit zwei weiteren Beteiligten des Widerstandes am 8. April 1945 von den Nationalsozialisten im 21. Wiener Gemeindebezirk, Am Spitz, gehängt.

Während des Ständestaates wurde der Gebäude-Komplex ab 1935 „Heiligenstädterhof“ genannt. Nach dem zweiten Weltkrieg bekam er seinen ursprünglichen Namen Karl-Marx-Hof wieder zurück.

Finanzierung

Durch die neue, streng zweckgebundene Wohnbausteuer, die Hugo Breitner und Robert Danneberg 1923 im Roten Wien einführten, konnten viele soziale Wohnbauten in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg finanziert werden, auch dieser Gebäudekomplex.

Zufahrt

Der Karl-Marx-Hof liegt direkt am Bahnhof Heiligenstadt und ist mit der U4, zahlreichen Bahnlinien der ÖBB und der Straßenbahnlinie D (Station 12. Februar-Platz) erreichbar, sowie mit den Buslinien 5b, 10a, 11a, 38a, 39a, die am Busbahnhof halten.

Weblinks

Literatur

  • Karl-Marx-Hof, Versailles der Arbeiter, Herausgeber Gerald und Genoveva Kriechbaum, Verlag Holzhausen, ISBN 978-3-85493-150-8
  • Das Rote Wien, Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919-1934, Autor Helmut Weihsmann, ISBN 3-85371-181-2
  • Der Weg aus dem Dunkel, Bilder aus der Geschichte der österreichischen sozialistischen Bewegung, Oscar Pollak, Verlag der Wiener Volksbuchhandlungen GmbH, 1958
  • Karl Seitz, Ein leben an der Bruchlinie, Autor Harald D.Gröller, Verlag Schmid, ISBN 3-900607-45-1

Einzelnachweise

  1. Werbeslogan des Wiener Fremdenverkehrsverbandes aus dem Prospekt von 1980
  2. Wiener Wohnen, Stradner Markus, E-Mail vom 4. Oktober 2013
  3. Mieterbund Abgerufen am 13. Oktober 1913
  4. Wiener Wohnen, Stradner Markus, E-Mail vom 4. Oktober 2013