Flucht österreichischer Intellektueller an Bord der Nea Hellas nach New York

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Die Flucht österreichischer Intellektueller an Bord der Nea Hellas fand im Oktober 1940 von Lissabon aus statt. Das Schiff der griechischen Reederei Greek Line mit Zielhafen New York hatte österreichische Schriftsteller, wie Franz Werfel oder Alfred Polgar, und Journalisten an Bord, die vor den Nationalsozialisten fliehen mussten.[1]

Historischer Hintergrund

Zu einer ersten Fluchtbewegung österreichischer Politiker kam es nach dem Ende des Österreichischen Bürgerkriegs und der Errichtung des Ständestaates durch Engelbert Dollfuß 1934. Mit dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland erfasste diese Fluchtbewegung auch weite Teile der österreichischen Intelligenz. Autoren, Journalisten, Künstler, darunter viele Juden, flohen vor den Nationalsozialisten nach Westeuropa und nach Übersee. Ein sehr beliebtes Fluchtziel war dabei Frankreich und hier speziell die Stadt Paris.

Mit dem raschen Erfolg der Deutschen Wehrmacht im Weltfeldzug und der Besetzung der Benelux-Länder sowie großer Teile Frankreichs durch die Deutschen, wurden die vermeintlich sicheren Fluchtländer nun für viele Geflohene zur Falle. So verpflichtete sich die französische Regierung mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrag von Compiègne am 22. Juni 1940 "alle in Frankreich befindlichen Deutschen, die von der Deutschen Reichsregierung namhaft gemacht werden, auf Verlangen auszuliefern".[2]

Fluchtorganisation

Golo Mann 1978
Heinrich und Thomas Mann 1902

Unter dem Eindruck der Niederlage der französischen Armee wurde im Juni 1940 in New York von geflohenen deutschen und österreichischen Politikern, wie dem Kärntner Joseph Buttinger oder dem Wiener Karl Frank, das Emergency Rescue Committee gegründet. Die Organisatoren fanden Unterstützung bei prominenten Emigranten wie Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann, dessen Sohn Golo Mann und dessen Bruder Heinrich sich noch in Europa befanden.[3]

Wichtigster Akteur der Organisation in Frankreich war der Amerikaner Varian Fry, der für die Flüchtlinge Papiere besorgte und sie über die Pyrenäen nach Spanien schleuste.[3] Fry konnte bis zum August 1941 zahlreichen Menschen, darunter vielen Juden, das Leben retten, bevor er verhaftet und in die USA ausgewiesen wurde.

Schiff und Reederei

Die Nea Hellas war das erste Schiff der griechischen Reederei Greek Line, die 1939 gegründet wurde und 1975 wegen hoher finanzieller Verluste zusammenbrach. Das Schiff war 1922 vom Stapel gelaufen und wurde im Transatlantikverkehr zwischen Europa und Amerika eingesetzt. 1959 verkaufte die Reederei die Nea Hellas, die zwei Jahre später abgewrackt wurde.

Einzelschicksale

An Bord der Nea Hellas befanden sich neben prominenten deutschen Flüchtlingen, wie Golo oder Thomas Mann, zahlreiche österreichische Intellektuelle, von denen einige hier vorgestellt werden.

Franz Werfel und Alma Mahler-Werfel

Franz Werfel im Dezember 1940
Alma Mahler-Werfel 1899

Anfang 1938 verbrachte der an Angina Pectoris leidende jüdische Schriftsteller Franz Werfel zusammen mit seiner Frau Alma Mahler-Werfel einige Wochen Erholungsurlaub auf Capri, wo sie vom Berchtesgadener Abkommen überrascht wurden. Mahler-Werfel fuhr daraufhin inkognito nach Wien zurück, wo sie alle Konten auflösen und das Geld in die Schweiz schmuggeln ließ. Als Hitlers Wehrmacht am 12. März in Österreich einmarschierte, flüchtete sie mit ihrer Tochter zuerst nach Prag und dann später nach Mailand, um sich dort wieder mit ihrem Mann zu treffen. Anschließend fuhren sie von Mailand nach Paris und von dort weiter nach London. Auf Drängen von Alma Mahler-Werfel kehrten sie aber wieder nach Paris zurück und saßen somit zwei Jahre später in der Falle.[4]

Bei ihrer nun folgenden Odyssee durch den nicht besetzten Teil Frankreichs verbrachten sie mehrere Wochen in Lourdes, wo Franz Werfel gelobte, im Falle einer Rettung ein Buch über die heilige Bernadette zu verfassen.[4] Nach seiner Ankunft in den USA schrieb Werfel Das Lied von Bernadette in nur fünf Monaten und hatte mit einer Auflage von 400.000 Stück großen kommerziellen Erfolg.

Bevor dies aber geschehen konnte, mussten die Werfels zuerst einmal aus Frankreich ausreisen. Dazu bemühten sie sich in der Hafenstadt Marseille die notwendigen Papiere zu bekommen (französisches Ausreisevisuum, spanisches Durchreisevisum, portugiesisches Einreisevisum, außerdem noch eine Schiffskarte und eine Bürgschaft einer Person oder Organisation in den USA). Da Franz Werfel von den Nationalsozialisten gesucht wurde, wagten sie es aber nicht, ein Ausreisevisum bei den französischen Behörden des Vichy-Regimes zu beantragen. In Marseille erfuhren sie aber von Varian Fry, der für die Werfels schließlich die Flucht nach Spanien organisierte. Zusammen mit Golo Mann, dessen Onkel Heinrich Mann und dessen Frau Nelly bildeten sie eine Fluchtgruppe, welche den beschwerlichen Weg durch die Berge antreten musste. Für den 70-jährigen Heinrich Mann als auch für den herzkranken Franz Werfel brachte der Marsch durch die Pyrenäen ungeheure körperliche Strapazen mit sich. Das Glück war auf ihrer Seite, sodass sie nach Barcelona gelangten und dort einen Flug nach Lissabon ergatterten.[5]

Alfred Polgar

Der jüdische Schriftsteller Alfred Polgar übersiedelte 1925 nach Berlin und wurde nach dem Reichstagsbrand 1933 zum ersten Mal Flüchtling. Diese erste Flucht führte ihn über Prag in seine Heimatstadt Wien zurück. Den Anschluss Österreichs erlebte er zufälligerweise in Zürich, da er aber für die Schweiz keine Arbeitserlaubnis erhielt, emigrierte er nach Paris.[6]

Auch Alfred Polgar und seine Frau haben ihr Leben Varian Fry zu verdanken, der sie über die Pyrenäen nach Spanien schleuste. Über diese Strapazen schrieb er folgende Zeilen in sein Tagebuch:[5]

„Wir sind drei Tage und Nächte ohne Schlaf und nicht aus den Kleidern gekommen. Aber wir sind hier und selig und nur zu verbraucht und physisch-geistig zerschunden, um der Seligkeit schon richtig froh sein zu können.“

Otto Leichter

Käthe Leichter

Der österreichische Politiker und Journalist Otto Leichter musste als Sozialist zum ersten Mal 1934 nach dem Ende des Österreichischen Bürgerkrieges mit seiner Familie nach Zürich fliehen. Von dort kehrte er und seine Frau Käthe Leichter aber bald wieder nach Österreich zurück und arbeiteten im Untergrund weiterhin für ihre Partei.[7] Nach dem Anschluss Österreichs konnte Otto Leichter mit einem gefälschten Pass in die Schweiz flüchten. Während die beiden Söhne Heinz (11 Jahre) und Franz (8) mit Hilfe von Freunden ins Ausland gebracht werden konnten, wurde seine Frau Käthe aufgrund eines Verrates verhaftet.[8]

Friderike Maria Zweig

An Bord der Nea Hellas befand sich auch die erste Frau des jüdischen Schriftstellers Stefan Zweig, Friderike Zweig, mit ihren Töchern Suse und Alix.[9] Friderike Zweig, die selbst als Schriftstellerin und Übersetzerin arbeitete, emigrierte 1938 nach ihrer Scheidung nach Frankreich.

Karl Hans Sailer

Schiller Marmorek

Ankunft der Passagiere in New York

Die Nea Hellas erreichte am 13. Oktober 1940 den Hafen von Hoboken. Die prominenten Passagiere wurden dort bereits von Familienangehörigen und zahlreichen Reportern erwartet. Die New York Times berichtete unter dem Titel AUTHORS WHO FLED FROM NAZIS ARRIVE; REFUGEE AUTHORS ARRIVING FROM EUROPE über die Ankunft von Franz Werfel und Heinrich Mann:[10][11]

„Franz Werfel und Heinrich Mann waren unter den fünfzehn anti-nationalsozialistischen Autoren und Journalisten, nach denen die Gestapo fahndete, die hier gestern mit dem griechischen Dampfer Nea Hellas ankamen. Das Schiff, das 678 Passagiere an Bord hatte, von denen sechzig Staatsbürger der USA waren, dockte um 9 Uhr vormittags in Hoboken in der vierten Straße an. Die geflüchteten Autoren wurden von Dr. Frank Kingdon, den Vorsitzenden des Emergency Rescue Committees empfangen, welche vielen Intellektuellen auf ihrer Flucht aus Europa geholfen hat. Herr Werfel, dessen Werk "Die vierzig Tage des Musa Dagh" die Nazis sechs Jahre nach seiner Erscheinung auf die Schwarze Liste setzten, wurde von seiner Gattin Alma begleitet. Er sagte, dass er von Berichten wusste, die in Amerika veröffentlicht worden waren und seine Inhaftierung durch die Nazis zum Inhalt hatten, und erklärte, dass er niemals in deren Verwahrung war. Als er gebeten wurde, seine Reise von der Côte d'Azur in Südfrankreich, wo er bei Kriegsausbruch gelebt hatte, nach Lissabon zu beschreiben, sagte Herr Werfel: "Es wäre sehr gefährlich darüber zu sprechen. Viele meiner Freunde sind nach wie vor in Konzentrationslagern." Als geborener Tschechoslowake benutzte er einen Pass dieses Landes. Während seiner Flucht vernichtete er zwanzig seiner Artikeln, weil er der Überzeugung war, dass sie ihm im Falle einer Festnahme "gefährlich werden könnten. Einmal verlor er fast alle seiner Entwürfe, sagte er, aber er und Frau Werfel konnten einige von ihnen wieder retten, darunter ein Manuskript eines neuen Romans.“

Folgen

Einzelnachweise

  1. Herbert Lackner: Die Flucht der Dichter und Denker, Nachrichtenmagazin Profil Ausgabe 15/2015, Seite 32 bis 36
  2. Vertragstext des Deutsch-Französischen Waffenstillstandsvertrag vom 22. Juni 1940, Webseite www.zaoerv.de, abgerufen am 6. April 2015
  3. 3,0 3,1 Herbert Lackner: Die Flucht der Dichter und Denker, Nachrichtenmagazin Profil - Ausgabe 15/2015, Seite 33
  4. 4,0 4,1 Franz Werfel, Webseite www.mein-oesterreich.info, abgerufen 6. April 2015
  5. 5,0 5,1 Herbert Lackner: Die Flucht der Dichter und Denker, Nachrichtenmagazin Profil - Ausgabe 15/2015, Seite 34
  6. Kurzbiographie Alfred Polgar, Webseite www.mein-oesterreich.info, abgerufen 6. April 2015
  7. Otto Leichter, Webseite www.dasrotewien.at, abgerufen am 7. April 2015
  8. Käthe Leichter (1895 - 1942), Webseite www.doew.at, abgerufen am 7. April 2015
  9. Herbert Lackner: Die Flucht der Dichter und Denker, Nachrichtenmagazin Profil - Ausgabe 15/2015, Seite 35
  10. AUTHORS WHO FLED FROM NAZIS ARRIVE, Webseite query.nytimes.com, abgerufen am 7. April 2015
  11. Herbert Lackner: Die Flucht der Dichter und Denker, Nachrichtenmagazin Profil - Ausgabe 15/2015, Seite 36